Odyssee im Frühjahr 2017


Kaum ein anderes Frühjahr hat die Essener Imker so überrascht wie dieses. Die ersten warmen und sonnigen Tage kamen früh. Schon der Februar lud zum ersten Grillen ein. Im März kletterte das Thermometer in unserer Region auf über 22°C im Schatten. So war es der natürliche Werdegang, dass Apfel, Kirsche und andere frühblühenden Pflanzen ihre Knospen nicht länger geschlossen hielten.

Um genau zu sein, haben wir am 30. März 2017 die Honigräume aufgesetzt, da neben Apfel und Kirsche auch schon die ersten Rapsblüten öffneten. Für gewöhnlich bietet das Frühjahr den Bienen und anderen Insekten einen üppig gedeckten Gabentisch, der die Honigräume und Futterwaben mehr als füllt. Dass es anders kommen würde, damit hatte allerdings kaum einer gerechnet.

Es folgte ein Kälteeinbruch, mit Tiefstwerten unter dem Gefrierpunkt. Die Höchsttemperaturen Bildschirmfoto 2017 06 09 um 20.40.39kletterten nur selten über 14°C. Auch die Sonne zeigte sich in den vier Wochen nur zaghaft. Zu kalt für die Bienen? Eigentlich nicht. Besonders an sonnigen Tagen wurde um die Wette geflogen. Doch bei diesen Temperaturen kam kein Nektar nach Hause, denn die Blüten benötigen eine Mindesttemperatur. Die Rapsblüte benötigt beispielsweise ~14°C, um überhaupt Nektar zu spenden. Um Wachs ausgeschwitztzu überleben, bedienten sich die Völker in dieser Zeit an den Futterreserven. Wer seine Bienen zur Einwinterung 2016 also gut vorgesorgt hatte und üppig einfüttert hatte, musste sich keine all zu großen Sorgen machen.

Auf diese Situation antworteten die Bienen naturgemäß mit einem Baustopp, da für den Ausbau von Brut- und Honigwaben Bienenwachs benötigt wird - das wiederum von den Bienen „ausgeschwitzt“ wird, wofür sie Nektar benötigt (siehe rechtes Foto). Ohne diesen kontinuierlichen Futterstrom wird die Bauleistung auf ein Minimum reduziert. Gleichzeitig wurde die Bruttätigkeit heruntergefahren, da zum Einen Pollen und Nektar zur Herstellung von Futtersaft fehlte, zum Anderen der Baustopp verhängt wurde, der die Ausdehnung des Brutnests verlangsamte oder zum Erliegen brachte. Das linke Foto zeigt deutlich, dass nicht auisgebauter Brutraumlediglich einer von zwei Bruträumen „bebrütet“ wurde.

Nun denn, der April hatte sich alle Ehre gemacht, und so blickten die Imker in leere und größtenteils nicht ausgebaute Honigräume. Diese Tatsache sollte nicht verwundern, denn eine Etage tiefer wurde der wenige Nektar, der ergattert werden konnte, sofort zur Versorgung der Brut entgegengenommen. 

Erst der Mai brachte die Temperaturen wieder auf ein normalesleerer Honigraum Maß, und der Raps – mit einer Blütezeit von ca. 5-6 Wochen, begann im letzten Moment Nektar zu spenden.

Eine meiner Meinung nach beliebte Eigenschaft von Wirtschaftsvölkern, ist eine vorübergehende Reduzierung der Bruttätigkeit nach einer Massentracht. Die verminderte Bruttätigkeit führt nach einiger Zeit zu einem Rückgang schlüpfender Jungbienen und somit zu einem Rückgang übermäßiger Arbeitslosigkeit unter den Pflegebienen. Weiterhin schont dieser Rückgang die Futtervorräte eines Bienenvolkes. Für den Imker bedeutet es zusätzlich „verminderte Schwarmbereitschaft“ und somit Arbeitserleichterung.

Doch diese Eigenschaft forderte im Mai ihren Tribut, denn ... „Was bringt ein üppiges Mahl, wenn es keine Münder gibt die sich an den Gaben laben!“

Für gewöhnlich wächst ein Wirtschaftsvolk im April / Mai auf bis zu 42.000 Bienen heran, sodass der Nektar in der unmittelbaren Umgebung effizient geerntet werden kann. Aber nur wenige Völker erreichten im Frühjahr 2017 ihren Höhepunkt und konnten in den verbliebenen 1½ Wochen Blütezeit noch einen nennenswerten Honigvorrat anlegen. ... vermutlich jene, die ihre Bruttätigkeit  nach einer Massentracht nicht herunterfahren. Allen anderen Völkern standen wegen des kleinen Brutnests verhältnismäßig wenige Flugbienen zur Verfügung. Bei diesen Völkern wurde der beginnende Nektarstrom verständlicher Weise zunächst in den Wabenbau, die Aufzucht der Brut und den Ausgleich der Futterreserven gesteckt. Das Ergebnis dieser Frühjahrs-Odyssee war – zumindest in unserer Imkerei, ein Honigertrag von Ø 6 kg Honig pro Volk. Ein Ertrag, der den wenigen Völkern zu verdanken ist, die überhaupt etwas eingetragen haben. Danke! Bei vielen Imkern in Essen aber stand die Honigschleuder zur Frühjahrsernte still.

Für den heißen und trockenen Mai hielt Mutter Natur noch eine weitere Besonderheit bereit. Bedingt durch das trockene und warme Klima im Mai, zeigte sich gegen Ende der Rapsblüte ein letzte Rapsblutevermehrter Läusebefall an den Bäumen und Sträuchern in unserer Umgebung. Ein Anzeigen dafür waren vermehrt Ameisenkolonien, deren Arbeiterinnen das süße Sekret der Läuse als zusätzliche Nahrungsquelle nutzen (siehe linkes Foto). So konnten unsere Bienen in den darauf folgenden Tagen noch reichlich Honigtau sammeln. So eine Tracht, die alle paar Jahre (z.B. 2015) das Niveau einer Massentracht erreichen Ameisenkoloniekann, war ein gefundenes Fressen. So konnten einige Völker doch noch ihrem Höhepunkt entgegen gehen.

Für den Sommer 2017 hoffen wir auf gutes Wetter, um die Lindenblüte in vollem Umfang nutzen zu können. Gutes Wetter bedeutet dabei aber hin und wieder auch mal kräftigen Regen und mäßige Temperaturen um die 22°C.

 

Ihnen und allen anderen Essener Imker wünschen wir eine gute Zeit!
Mit freundlichen Grüßen
 
 „Honigvogel“
Imkerei Kremer